Am Nachmittag des 18. Oktober wurde anlässlich des 70. Jahrestags des Beginns der Judendeportationen die Kampagne „Sie waren Nachbarn“ mit einer kleinen Eröffnungsfeier vor dem ehemaligen Hertie-Kaufhaus in der Turmstraße offiziell eröffnet. Tobias D., einer der drei Initiatoren der Kampagne und der Rabbiner und Direktor der Stiftung „Topographie des Terrors“, Andreas Nachama, hielten die Eröffnungsansprachen zur Kampagne vor der Installation mit einem Schattenriss des Marschs der Deportierten. Aufgestellt vor einer Wand mit 10 Plakaten der Kampagne, in denen zu zehn zufällig ausgewählten Moabiter Häusern ein fiktiver Einblick in das Leben der deportierten und später ermordeten Juden gegeben wird. Neben dem Schattenriss ist als weiterer Bestandteil der Installation eine Liste der 1.889 bekannten Moabiter Opfer der Deportationen ausgehangen. Die Installation ist in zwei Schaufenstern des ehemaligen Hertie-Kaufhauses zu sehen. Sie ist damit direkt im Alltag vieler Bürger, z.B. beim Warten an der Haltestelle auf den nächsten Bus zu sehen, und regt zum Nachdenken über die Geschichte an.
Im ersten Beitrag wies Tobias D. darauf hin, dass es wichtig ist, sich die Opfer in Erinnerung zu rufen, als Menschen, als Nachbarn aus Moabit und nicht nur als abstrakte Zahl. Mit dem heutigen Auftakt beginnt die Initiative auch mit der Plakatierung der zehn Plakatmotive z.B. in Schaufenstern von Moabiter Geschäften, um auf das Thema aufmerksam zu machen. Mit ihrer Kampagne wollen die Initiatoren auch dazu anregen, sich mit weiteren Installationen von „Stolpersteinen“ vor weiteren Häusern in Moabit, in denen deportierte Juden gelebt hatten, zu beteiligen, um so an das Schicksal früher dort wohnender jüdischer Nachbarn zu erinnern. Zum anderen mahnte Tobias D. an, endlich die Realisierung des seit langen beabsichtigten Mahnmals an der Ellen-Epstein-Straße, nahe der ehemaligen Deportationsrampe des Güterbahnhofs Putlitzstraße, anzugehen. Von diesem Bahnhof waren mit 30.000 Deportierten der größte Teil der insgesamt 55.000 von Berlin aus deportierten Menschen in die Konzentrationslager verbracht und dann ermordet worden.
Andreas Nachama lobte in seinem Beitrag die Kampagne ausdrücklich dafür, dass sie mit der Installation und beginnenden Plakataktion das Gedenken in den Alltag der Menschen hinein holt. Er wies darauf hin, dass es nicht reicht, nur an besonderen Tagen – wie dem heutigen – an die Geschichte zu erinnern. Nachama betonte, dass Gedenken alleine nicht reicht, vielmehr gibt es in vielen Ländern auch heute Verfolgung und Entrechtung, so werden in manchen Ländern auch heute Kinder und Jugendliche zu Zwangsarbeit herangezogen, es werden Menschen wegen ihrer sexuellen Orientierung diskriminiert, in manchen Ländern haben nicht alle Religionen das gleich Recht usw. Darauf gilt es mit solchen Aktionen gleichermaßen aufmerksam zu machen und zu mahnen.
Mit der gleichzeitigen Fertigstellung der Installation im ehemaligen Hertie-Haus beginnt nun die Veröffentlichung der Plakate, die im ganzen Stadtteil geklebt werden sollen.